Die Magie des Lebens liegt im Dazwischen
— Jahreszitat 2021 —

Viel Dazwischen: Gespensterwald Nienhagen © mo jour
Wie alle Jahre sitze ich in den letzten Dezembertagen und freue mich über die – relative – Ruhe da draußen. Und hier drinnen. Bin froh, dass das Wummern der Welt einen Augenblick pausiert. Dass nichts und niemand an mir herumzerrt. Keine Termine, keine Erledigungen, kein Telefon und fast keine eMails. Vorsichtig sammle ich mich … in meine Mitte – wo war die gleich noch, irgendwo dazwischen?
Ich liebe diese stille Zeit ‚zwischen den Jahren‘, ein kurzes Ausruhen und Atemschöpfen, bevor nach den Raunächten Anfang Januar alles wieder losbraust.
Das Brausen liebe ich nicht. Und deswegen will ich im Jahr 2021 mehr auf die Lücken achten. In jeder Hinsicht, denn:
Die Magie des Lebens liegt im Dazwischen.*
Das alte Jahr noch nicht ganz zu Ende, aber innerlich schon abgeschlossen (und wenn nicht, dann ist jetzt höchste Zeit!). Das neue Jahr schon in Sichtweite, aber noch nicht ganz da. Niemand weiß, was wirklich kommt. Klar, manches lässt sich schon erahnen. Aber trifft es wirklich ein?
Im Dazwischen, da bin ich sicher. Die schönsten Zeiten, Orte, Dinge, manchmal auch Begegnungen sind mir die, die eine Lücke lassen, einen respektvollen Abstand. Abstand zueinander, Abstand auch zu mir. Jegliches Gedränge erstickt mich. Ich brauche Luft, ich brauche Licht zum Atmen!
Da sind nicht nur die Lücken im Terminkalender, die jeden Augenblick wertvoller machen. Es ist auch ein Zurücktreten, nochmal neu Hinsehen mit etwas Abstand, das Begegnungen intensiver macht.
Dinge werden deutlicher, wenn sie nicht auf Haufen liegen sondern ein Dazwischen haben, damit ich sie einzeln würdigen kann. Jedes für sich, Stück um Stück. Ein Stückchen kahle Wand kann mein Himmel sein!
Gelebte Zeiten erinnern wir besser, wenn wir ein Dazwischen ermöglichen: Pausen zwischen Ereignissen und Eindrücken, um zu verinnerlichen. Es geht nicht darum, schnellstmöglich beim nächsten Termin anzukommen. Es gilt, den Weg dorthin überhaupt erst wahrzunehmen.
Es ist ein unterwegs Sein im Dazwischen. Das ist magisch. Immer!
Erst das eine, dann das andere. Kein Multitasking. Sonst vermatscht die Zeit und zerrinnt so rasend schnell. Pausen! Dazwischen.
Einen Ton ganz ausklingen lassen, bevor wir zum nächsten Bogenstrich ansetzen. So, dass die einzelnen Schwingungen hör- und spürbar werden. Kein akustisches Gedränge, das doch nur den Tinnitus nährt und sonst nichts in Bewegung setzt. Stille! Dazwischen.
Es gibt Menschen, die ertragen diese Pausen nicht. Die sind immerzu laut, immerzu in Hektik. Immerzu mit irgendetwas höchst beschäftigt und wundern sich am Ende eines Tages und auch am Ende aller ihrer Tage, wo die Zeit, wo denn ihr Leben bloß geblieben ist.
Dazwischen ist einatmen, ausatmen, Pause.
Dazwischen ist gucken, was kommt und gucken, wer kommt. Gelassen und neugierig.
Dazwischen ist Stille genießen oder auch den Lärm wahrnehmen, den wir für Stille halten.
Im Dazwischen stehen alle Möglichkeiten offen.
Im Dazwischen geht Altes zu Ende und löst sich auf. Spurlos, bisweilen!
Im Dazwischen entsteht Neues aus sich selbst heraus.
Das ist Kreativität – die Wandlung vom einen zu anderen.
Kreativität ist niemals statisch, nicht am Ausgangspunkt und nicht am Ende.
Kreativität ist ein Prozess und passiert immer im Dazwischen.
Ein Dazwischen ist ein Geschenk, ist eine Wandlung – jedes Mal aufs Neue.
Und wie alle Geschenke, ist auch ein Leben im Dazwischen voller Magie.
Kreativ. Niemals statisch.
Genau das wird mein Fokus sein im Jahr 2021.
Bleibt mir noch, mich bei all meinen Leser*innen zu bedanken für Aufmerksamkeit und Treue, für Zuspruch und konstruktive Kritik. Bei mir war viel „Dazwischen“ in den letzten Jahren, viel Veränderung – ich bin fast verschollen. Und jetzt – auch das im „Dazwischen“ – auf dem Weg der Besserung.
Habt ein gutes Jahr 2021 – und hört auch mal hin, dazwischen!
Schon allein das Wort ist magisch und wunderschön: es hat Dazwischen so ein Zischen.
*Zitat von Johannes Korten (1974 – 2016), gefunden auf Anders anziehen von Smilla Dankert.