Schöne Dinge
– Jahreszitat 2025 –
In den Anfangsjahren meines Blogs (seit 2009) hatte ich die Idee, jedes Jahr ein Motto zu küren; mir eine Art spirituelles Geländer zu geben, auf das ich meinen Alltag fokussieren kann, damit ich angesichts schwieriger Lebensumstände nicht vollends den Halt verliere.
Die gewählten Zitate waren mehr oder weniger sinnvoll, manche waren richtig stark, andere standen mir im Weg … trotzdem hat es ganz gut funktioniert. Meistens.
![Blühender Winterginster](https://mojour.de/wp-content/uploads/2024/12/241227-winterginsterc-225x300.jpg)
Blühender Winterginster (Jasminum nudiflorum) – Foto: © mo jour
2023 und 2024 habe ich mich nicht entscheiden können und habe nicht nur das Jahreszitat, sondern auch das Aufschreiben meiner Gedanken und Erlebnisse hier sehr vernachlässigt. Es war alles zu viel. Oder zu wenig. Je nach Sichtweise.
Nun möchte ich meine Tradition wieder aufnehmen.
Nicht anspruchslos, aber freundlich zu mir selbst wird es 2025 heißen:
„Ich liebe schöne Dinge, aber ich brauche sie nicht zu besitzen.“
(Grete Fischer*)
Auf meine alten Tage tendiere ich zum sammelwütigen Messie-Phänomen.
Nachdem ich mich gezwungenermaßen von so viel Schönheit (in jeder Hinsicht) trennen musste, erlebe ich das Bedürfnis, die Lücken zu füllen: verlorene Schönheit und damit verbundene Sicherheit durch Wieder- oder Neu-Anschaffung schöner Dinge (vermeintlich) wiederherzustellen. Was Quatsch ist.
Viele Dinge – egal wie ‚schön‘ – belasten mein Leben, weil ich mehr staubwischen, mehr pflegen und öfter aufräumen muss. Mit Sicherheit oder Schönheit hat das wenig zu tun.
Also habe ich mit mir eine innere Abmachung getroffen:
Für alles, was ich in meine Wohnung hereintrage, muss etwas anderes (in etwa Gleichwertiges oder auch Gleichgewichtiges) mein Leben verlassen. Wie schwer das ist!
Außerdem muss auch sowieso jeden Tag ein Ding weg aus meinem Haushalt. Weil ich trotz aller Umzüge, trotz allen Loslassens und Entsorgens immer noch viel zu viel Zeug besitze. Das ist noch schwieriger!
Unfassbar, was sich so alles angesammelt hat im Lauf der Jahrzehnte.
Ehrlicher ausgedrückt: geradezu erschreckend, was ich so alles angesammelt habe im Lauf der Jahrzehnte. Als ob ich eine keltische Fürstin wäre, die zur Feier ihres Ablebens ein riesiges Grabmal erhält mit 16 Tonnen Beigaben.
Ich führe sogar Buch – bzw. eine Liste, in der genau festgehalten wird, was kommt und was geht. Die Bilanz muss Negativ sein. Jeden Tag muss ein Ding weg. Neuanschaffungen werden durch sofortiges Loslassen von etwas anderem kompensiert. Besser noch umgekehrt: Erst etwas Altes weg, dann mit Lücke leben – und nur wenn es gar nicht anders geht, etwas Neues her.
In diesem Jahr ist mir das ganz gut gelungen: Jetzt, am Jahresende 2024, besitze ich 400 Dinge weniger als Anfang Januar. Man sieht es nicht wirklich, aber es reicht mir, das zu wissen.
Meine Liebe zu den schönen Dingen wird dadurch nicht geringer.
Ich stelle fest: ‚Liebe‘ ist etwas ganz anderes als ‚Besitzen-wollen‘.
Egal, ob Liebe zu Dingen – oder Liebe zu Menschen.
In diesem Sinne:
Ich wünsche ein leichtes und freundliches Jahr 2025.
Fangt’s gut an!
*
Grete Fischer
(Geburtsname: Margarete Fischer, in Großbritannien: Margaret Fisher, Pseudonym: Joseph Amiel)
geboren 6.2.1893 in Prag, Österreich-Ungarn, gestorben 28.3.1977 in London, Großbritannien
tschechisch-britische Schriftstellerin, Journalistin, Übersetzerin und Pädagogin
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